Im Süderholmer Moor zeigt der Verein Torfbacken den einstigen Alltag der Torfstecher. Ein mitunter anstrengender Job.
Heide, von Robin Helbing
Moore sind besondere Ökosysteme, die es zu schützen gilt. Allen voran gelten sie als Kohlendioxidspeicher und somit als unabdingbar für den Klimaschutz. Heute hat man dies in einigen europäischen Staaten erkannt, Strategien hierfür entwickelt sowie mit der Renaturierung begonnen. Über viele Jahre wurden Moore entwässert, um die Flächen zu kultivieren. Auch der Torfabbau führte dazu, dass die Moorflächen schrumpften. Letzteres war vor allem im Ostroher und Süderholmer Moor bis in die 1960er Jahren gängige Praxis.
Der Torfabbau in Süderholm und das Torfbacken
Bis in die 1930er Jahre bot sich den Bauern und Helfern jeden Morgen das gleiche Bild: Über Nacht mit Wasser vollgelaufene Abbaulöcher. Die Torfschichten reichten bis zu sechs Meter tief in die Erde, im oberen Bereich war die Entstehung des Torfes noch nicht so fortgeschritten wie in den unteren Schichten. Diese waren aber begehrt, da sie einen höheren Brennwert aufweisen. Somit musste das Wasser irgendwie herausgepumpt werden, um an diese Schichten zu gelangen. Elektronische Pumpen gab es nicht – somit behalfen sich die Torfstecher mit einer Wasserförderschnecke. Das Prinzip funktioniert so wie das Wasserspiel beim Heider Marktplatz. Mit einer Kurbel wird der Zylinder gedreht. In dessen Innerem befindet sich eine Spirale, die das Wasser nach oben befördert. Eine Umdrehung schafft etwa zehn Liter Wasser. Das so geförderte Wasser wurde über Abflussgräben hinaus geleitet. Statt Muskelkraft konnte auch eine Windmühle die Kurbel antreiben.
Der Torf selbst wurde mit dem Spaten herausgestochen. Ab den 1930ern kam mit der sogenannten Ketschermaschine weiterer technischer Fortschritt hinzu. Diese Maschine besteht aus einem Förderturm, der über freigelegte Torfflächen gestellt wurde. Der Turm bohrte sich dann circa fünf Meter in den Boden. Das tägliche Abpumpen des Wassers war damit überflüssig geworden. Am unteren Ende des Konstrukts befand sich eine Klappe, die die Torfsäule im Förderturm von den darunterliegenden Schichten abschnitt. Per Handkurbel wurde die Torfsäule nach oben befördert, dort von Helfern mit Spaten und Schaufel in eine bereitgestellte Backkarre geworfen. In dieser Karre wurde etwas Wasser zum Torf gegeben und vom Pferd über das Feld gezogen. Dadurch wurden die unterschiedlichen Torfschichten durchmischt, und es entstand eine homogene Masse.
Nach diesem Prozess kam das Befüllen der 72 Sodenfächer mit Torf. Diese wurden mit der Schaufel geplättet. Danach konnte die Backform wieder entfernt und mit einer neuen Fuhre befüllt werden. Mithilfe der Sonne wurde der Torf nun getrocknet beziehungsweise gebacken. Bis zu 10.000 Torfsoden konnten so an einem Tag hergestellt werden.
Sie mussten jedoch täglich gewendet werden. „Eine sehr anstrengende Arbeit“, erinnert sich Mars Dieter Timm, Vorsitzender des Fördervereins Torfbacken. „Das Bücken ging in den Rücken.“ Wenden bedeutete: Pro Tag eine Viertel Umdrehung. Die auf dem Gras ausgelegten Soden brachten ein beeindruckendes Landschaftsbild zum Vorschein: „Es war alles schwarz.“
Nach einer Woche konnten sie „geringelt“ werden. Das meint das Aufeinanderlegen zu kleinen Türmen. Dadurch wurde der Trocknungsprozess beschleunigt, da der warme Sommerwind durch diese hindurchwehte. Allerdings mussten auch diese Türme stets wieder umgeschichtet werden. Die untersten Soden waren über Nacht wieder angefeuchtet. Nach ungefähr sechs Wochen waren sie trocken beziehungsweise „schmissfest“. Große Haufen mit tausenden Torfsoden entstanden und wurden mit Wagen weggebracht. Im Vergleich zum Zeitpunkt vor dem Trocknungsprozess hat der Soden einen Großteil seiner Größe eingebüßt.
Für die Bauern aus der Gegend war der Torfabbau ein lukrativer Nebenerwerb, so Timm. Denn der Torf wurde in der Küche für den Ofen zum Essenkochen gebraucht. Ein Haushalt verbrauchte täglich circa 40 Torfsoden.
Bis in die 1960er Jahre wurde so in Süderholm Torf gefördert. „Dann ersetzte importierte Kohle aus dem Ruhrgebiet oder den Fördergebieten in England mehr und mehr den Torf als Brennstoff.“ Heute steht das Moor unter Naturschutz.
Moor ist nicht gleich Moor
Das Süderholmer Moor ist ein Niedermoor. Das heißt, wie der Name vermuten lässt, das Moor entsteht in einer Niederung. Nach der Eiszeit bildete sich dort ein circa 17 Meter tiefes Tal. In diesem entstand daraufhin über die Jahrtausende ein Urwald. Aufgrund des Grundwasseranstiegs und der Küstenabsenkung wurde dieser nach und nach geflutet, sodass die Pflanzen abstarben und auf den neu entstandenen See absanken. Wasserpflanzen gediehen, starben zum Jahreswechsel ab, sanken ebenfalls zu Boden. Der Luftabschluss unter Wasser bewahrte die Pflanzen vor der Mineralisierung, sie vertorften. Die Schicht wuchs so einen Millimeter pro Jahr und es dauerte viele tausende Jahre, bis die Verlandung abgeschlossen war. Der Torf in Süderholm ist bis zu 6000 Jahre alt.
Im Vergleich dazu ist der Torf aus dem Weißen Moor bei Neuenkirchen viel leichter und der Heizwert geringer. Denn: Das Weiße Moor ist ein Hochmoor. Hochmoore entstehen meist aus Niedermooren, wachsen dann aber über den Grundwasserspiegel hinaus. Hier ist der Prozess ähnlich, das Wasser verhindert die Mineralisierung, jedoch ist die Herkunft des Wassers entscheidend: Beim Hochmoor ist es ausschließlich rohstoffarmes Regenwasser. Beim Niedermoor ist es sowohl Oberflächenwasser aus zum Beispiel Auen, Bächen, Flüssen und Grundwasser. Dadurch sind sie reich an Nährstoffen und weisen eine vielfältige Pflanzenwelt auf. Das führt dazu, dass das organische Material schneller abgebaut wird und der Torf anders zusammengesetzt ist. Der Torf in Süderholm ist sehr dunkel, schwer und hat einen guten Heizwert. Der in Neuenkirchen ist hellbraun, leicht und hat keinen so guten Brennwert. „Ein Problem bei einem Hochmoor ist, dass dieses schlecht zu renaturieren ist“, so Timm. Denn an die offenen, ehemaligen Abbaukanten kommt immer wieder Luft ran, der Mineralisierungsprozess wird nicht unterbunden.
Arbeit des Fördervereins „Torfbacken“
Der „Förderverein Torfbacken“ wurde 1995 gegründet und widmet sich dem Torfbackhandwerk, den damit verbundenen Geräten und bewahrt das handwerkliche Erbe der aktiven Förderzeit.
Der Verein hat auf dem Gelände an der Straße Mitteldamm verschiedene Objekte ausgestellt. Diese sind jetzt im Sommer zu bestaunen, den Winter über sind sie abgebaut. Rechts am Eingang ziert eine alte Buche das Gelände. Diese wurde im Moor gefunden, über die Jahrhunderte war sie konserviert. Weitere Baumstämme hat der Verein unter ein Dach gelegt, „damit sie vor den Wettereinflüssen geschützt sind“. In der Nähe der Wasserkante haben die Mitglieder die Ketschermaschine aufgebaut und Infotafeln über die Funktionsweise platziert. Schräg daneben steht der Nachbau der Mühle, die die daran angeschlossene halboffene Wasserförderschnecke antreibt. Diese Förderschnecke ist ebenso ein Nachbau und wurde 2013 mit Lehrlingen der Bauinnung Dithmarschen verwirklicht.
Der Verein widmet sich auch der Bildungsarbeit. So haben sie einen Anhänger mit verschiedenen Informationsmaterialien, die sie zu verschiedenen Anlässen mitnehmen und Interessierten vorzeigen. Beim Mühlentag veranstalteten sie im Moor das Torfbacken, bei dem sie den Torf stechen und dann backen. So werde der Prozess in der Praxis gezeigt.
„Wo werfen Sie Essensreste hin?“, fragt der Vorsitzende zwei Passanten, die gerade den Förderturm der Ketschermaschine bestaunen. „In den Biomüll“, kommt als Antwort zurück. „Und nach ein paar Tagen, was passiert mit den Resten?“ „Sie stinken.“ Er hielt den Besuchern ein getrocknetes Stück Torf zum Riechen hin. Es ist nahezu geruchslos. Warum das so ist, erfahren Interessierte bei Führungen durchs Moor, die der Verein ebenfalls individuell anbietet. Anmeldungen nimmt Mars Dieter Timm unter 0481/88543 entgegen.
Der original Artikel aus der DLZ: https://www.boyens-medien.de/artikelansicht/heide-als-die-felder-schwarz-waren-74919.html